Interview mit Dorota Czerwiec, Leiterin Didaktik und Qualitätsmanagement

Interview:
Dorota Czerwiec ist seit dem 1. Oktober 2019 Leiterin Didaktik und Qualitätsmanagement an der Volkshochschule Bern. Sie war zuvor über viele Jahre an verschiedenen Sprachinstituten Lehrerin und Dozentin für Deutsch als Fremdsprache.



Du scheinst mit deinem beruflichen Hintergrund sehr sprachaffin zu sein.
Woher kommt diese Affinität? Und welche Sprachen sprichst du denn?

Meine erste Muttersprache ist Polnisch. Aufgrund meiner eigenen Migrationsgeschichte habe ich dann Deutsch lernen müssen und bin so noch als Kind mit dem Erlernen neuer Sprachen in Berührung gekommen. Da der Lernprozess bei Kindern ganz anders verläuft, wurde Deutsch meine zweite Muttersprache. Während eines Studienaufenthalts in Valencia habe ich Spanisch gelernt und konnte so auch die Perspektive des Sprachenlernens als Erwachsene kennenlernen. Später habe ich Englisch in meinem Berufsalltag sprechen müssen. Sprachen sind stets auf eine natürliche Art und Weise in mein Leben gerückt und haben mich dadurch sehr bereichert.

Was beinhaltet deine Arbeit als Leiterin Didaktik und Qualitätsmanagement? Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?

Auf jeden Fall wird mir nie langweilig. Jeder Tag sieht anders aus und bringt neue Herausforderungen. Daneben versuche ich aber auch die für mich kompromisslose Konstante der Unterrichtsqualität aufrechtzuerhalten und unser Angebot weiterzuentwickeln. Das beginnt bei der Entwicklung neuer Kursideen und der dazugehörigen Konzepte und endet bei Feedbackgesprächen zum Unterrichtsverlauf. Dazwischen liegt ein langer Weg voller Hürden, aber auch voller schöner Momente.

Wo steht die Volkshochschule Bern aus deiner Sicht im Vergleich zu anderen Sprachanbietenden? Was zeichnet sie aus?

Zunächst muss ich betonen, dass die Volkshochschule kein Sprachanbieter ist, sondern eine Bildungsinstitution, wo man sich „rundum“ bilden kann. Sei es im Sprachbereich oder im Bereich der Kultur. Wir haben neben dem grossen Sprachkursangebot auch ein vielfältiges Angebot kultur- und insb. kunstgeschichtlicher Kurse. Aber auch im Bereich Sport oder Kreativität kann man etwas für sich entdecken. Für uns steht der Mensch und seine Bedürfnisse im Vordergrund, nicht die Kalkulation. Als NPO müssen wir zwar kostendeckend arbeiten, aber wir sind nicht auf Gewinne aus. Dadurch können wir unsere Qualität steigern und das verschafft uns einen grossen Vorteil gegenüber vielen Privatanbietern, die oft zugunsten der Zahlen entscheiden müssen und weniger zugunsten ihrer Kundinnen und Kunden.

Wie erlebt die Volkshochschule Bern die Situation der ukrainischen Flüchtlinge?

Die ukrainischen Flüchtlinge lernen seit Anfang Mai 2022 mit grossem Erfolg an der Volkshochschule Deutsch. Die meisten haben unglaublich schnell Fortschritte gemacht und inzwischen offizielle telc Zertifikate erworben. Die ersten Ukrainerinnen und Ukrainer sind direkt nach Kriegsausbruch geflüchtet und hierhergekommen. Uns war es ein grosses Anliegen, den Menschen möglichst schnell Zugang zu Deutschkursen zu ermöglichen. Jedoch war es eine grosse Herausforderung, innerhalb kürzester Zeit für hunderte von neuen Teilnehmenden Deutschkurse zu organisieren und hierfür neue Lehrpersonen anzustellen. Das hat uns an unsere Kapazitätsgrenzen gebracht. Das waren sehr emotionale und prägende Momente.

Nun stehen für viele der Teilnehmenden grosse Veränderungen an, das macht eine Planung für uns fast unmöglich. Von solch kurzfristigen Veränderungen sind natürlich nicht nur wir als Volkshochschule betroffen, sondern auch die Lehrpersonen und die Teilnehmenden selbst, die sich darauf eingestellt hatten, ein bestimmtes Deutschniveau zu erreichen, um eine gute Arbeit zu finden, die Kinder in der Schule oder im Kindergarten sprachlich zu begleiten, etc. Die Sprache bleibt der Schlüssel zu einer würdigen und selbständigen Existenz.

Wo siehst du die zukünftigen Herausforderungen für die Volkshochschule Bern?

Kurzfristig ist sicher der postpandemische Internetboom ein Problem. Der beschleunigte Umgang mit dem online Lernen hat sicher dazu geführt, dass ein Teil unserer potenziellen Kundinnen und Kunden am Computer lernt. Langfristig sind aber der Mensch und die (Lern-)Beziehungen nicht zu ersetzen. In unseren Kursen geschieht viel mehr als reine Wissensaufnahme. Es finden Diskussionen statt, es gibt einen zwischenmenschlichen Austausch. Dadurch eröffnen sich neue Perspektiven und es entstehen nicht zuletzt auch neue Freundschaften.

Kannst du uns eine Anekdote aus deinem Alltag schildern?

Es gibt viele Momente, die ich aufzählen könnte. Lustige sprachliche Missverständnisse mit unseren Deutschkursteilnehmenden, ihre interessanten Lebensgeschichten oder auch Gespräche mit Teilnehmenden der fremdsprachigen Literaturkurse. Auch aus den Sportkursen gibt es schöne Anekdoten, aber schlussendlich sind Momente, in denen Menschen in unseren Kursen ihre Ziele erreichen und uns daran teilhaben lassen, die Schönsten.

Herzlichen Dank, Dorota.