Interview mit Eugenia Jenzer, Kursleiterin Deutsch als Fremdsprache

Die Kurse "Deutsch als Fremdsprache" sind geprägt von kultureller Diversität.
Unsere Kursleiterin Eugenia Jenzer gibt uns Einblick in ihren Alltag.

Du unterrichtest Deutsch als Fremdsprache – wie erlebst du dabei die kulturelle Vielfalt deiner Lernenden?
Die kulturelle Vielfalt meiner Lernenden empfinde ich als grosse Bereicherung. Jede Person bringt eigene Perspektiven, Erfahrungen und Kommunikationsweisen mit, die den Unterricht lebendig und facettenreich machen. Ich erlebe, wie durch den Austausch interkulturelles Lernen auf beiden Seiten stattfindet – nicht nur lernen meine Teilnehmenden die deutsche Sprache und die Schweizer Kultur kennen, auch ich lerne kontinuierlich von ihnen. Diese Vielfalt fördert Offenheit, Neugier und Toleranz.

Wie wichtig ist für dich interkulturelle Kompetenz im DaF-Unterricht? Geht’s nur um Sprache oder auch um kulturelles Verständnis?
Interkulturelle Kompetenz ist für mich ein zentraler Bestandteil des DaF-Unterrichts. Sprache und Kultur sind eng miteinander verflochten – wer eine Sprache lernt, braucht auch ein Verständnis für die kulturellen Kontexte, in denen sie verwendet wird. Es geht nicht nur darum, grammatikalisch korrekt zu sprechen, sondern auch darum, Situationen angemessen einschätzen und kommunikativ handeln zu können. Deshalb integriere ich regelmässig kulturelle Themen, Diskussionen über Werte und Alltagsgewohnheiten sowie landeskundliche Inhalte in meinen Unterricht.

Gab es mal ein Missverständnis im Unterricht, das durch kulturelle Unterschiede entstanden ist? Wie bist du damit umgegangen?
Ja, solche Situationen kommen durchaus vor. Ein Beispiel war eine Diskussion über Pünktlichkeit. Einige Teilnehmende empfanden die Erwartung an absolute Pünktlichkeit als übertrieben streng und waren überrascht, wie ernst das hier genommen wird – während sie aus ihrem Herkunftsland eher flexible Zeitvorstellungen kannten. Ich habe das zum Anlass genommen, über kulturell geprägte Werte und Erwartungen zu sprechen. Durch den Dialog konnten wir gegenseitiges Verständnis schaffen, ohne zu werten. Solche Momente nutze ich gern, um interkulturelle Sensibilität zu fördern.

Was hat dich dazu bewegt, DaF-Lehrerin zu werden – und was hält dich bis heute dabei?
Mich hat schon immer die Verbindung von Sprache, Kultur und zwischenmenschlicher Kommunikation fasziniert. Im DaF-Unterricht kann ich genau das leben: Menschen beim Ankommen in eine neue sprachliche und kulturelle Umgebung begleiten. Was mich bis heute motiviert, ist die direkte, persönliche Arbeit mit Menschen und das Wissen, dass Sprache für viele der Schlüssel zu einem neuen Leben ist.

Welche Methoden oder Materialien setzt du am liebsten im Unterricht ein – und warum gerade diese?
Ich arbeite gern mit handlungsorientierten Methoden und authentischem Material. Rollenspiele, Projektarbeit oder Lerntandems fördern aktives Sprechen und lebensnahes Lernen. Besonders gern nutze ich auch aktuelle Medien wie Videos oder Podcasts, um Sprache im realen Kontext zu vermitteln. Diese Formate ermöglichen nicht nur Spracherwerb, sondern auch kulturelles Lernen und fördern die Motivation der Lernenden.

Wie gehst du damit um, wenn in einer Gruppe sehr unterschiedliche Lerngewohnheiten und/oder Lernvoraussetzungen aufeinandertreffen?
In solchen Fällen versuche ich, Differenzierung gezielt einzusetzen – sei es durch unterschiedliche Aufgabenformate, offene Aufgabenstellungen oder individualisierte Lernphasen. Wichtig ist mir dabei, dass jede:r Lernende sich gesehen fühlt und auf dem eigenen Niveau gefördert wird. Gleichzeitig schätze ich das Potenzial von Heterogenität: Oft lernen die Teilnehmenden auch viel voneinander – z. B. durch Partner- oder Gruppenarbeit.

Was sind für dich die schönsten Momente in deinem Beruf? Gibt’s Augenblicke, die dir besonders im Gedächtnis geblieben sind?
Die schönsten Momente sind für mich, wenn Lernende Erfolge feiern – sei es der erste Small Talk auf Deutsch, das Bestehen einer Prüfung oder das Finden einer Arbeitsstelle. Besonders bewegend war für mich ein Kursabschluss, bei dem eine Teilnehmerin unter Tränen sagte: „Ich bin endlich angekommen – danke für Ihre Hilfe.“ Solche Momente zeigen mir, wie viel Sprache verändern kann, und dass mein Beruf nicht nur Unterricht, sondern auch Begleitung auf einem Lebensweg bedeutet.

Und was sind die schwierigeren Seiten am DaF-Unterrichten – sei es organisatorisch, menschlich oder emotional?
Herausfordernd ist manchmal die emotionale Belastung, vor allem, wenn Lernende schwere Schicksale mitbringen – etwa durch Fluchterfahrungen. Auch die strukturellen Rahmenbedingungen sind nicht immer einfach: kurzfristige Kurszuweisungen, instabile Finanzierung für die Kursfortsetzung oder fehlende Anschlussangebote erschweren nachhaltige Lernprozesse. Dennoch versuche ich, in meinem Einflussbereich das Beste möglich zu machen und immer lösungsorientiert zu denken.

Wie gehst du mit Lernenden um, die z. B. durch Flucht oder persönliche Schicksale belastet sind?
Ich versuche, viel Empathie und Verständnis zu zeigen, aber auch eine gewisse professionelle Distanz zu wahren. Das Klassenzimmer soll ein sicherer Ort sein – ein Raum für Stabilität und Selbstwirksamkeit. Ich achte darauf, dass die Teilnehmenden in ihrem eigenen Tempo arbeiten können, biete Gespräche an und vermittle, wenn nötig, an psychosoziale Beratungsstellen. Wichtig ist mir, den Menschen ganzheitlich zu sehen – nicht nur als Sprachlernenden.

Was würdest du jemandem raten, der oder die überlegt, selbst DaF-Lehrer:in zu werden? Worauf sollte man sich einstellen?
Ich würde sagen, es ist ein sehr erfüllender Beruf – aber auch einer, der Flexibilität, Geduld und Offenheit erfordert. Man arbeitet mit Menschen, die sehr unterschiedliche Hintergründe mitbringen – fachlich wie emotional. Wer DaF unterrichtet, sollte bereit sein, auch über den Tellerrand der Grammatik hinauszublicken: interkulturelles Lernen, soziale Begleitung und didaktische Kreativität gehören dazu. Wenn man das schätzt, ist es ein wunderbarer Beruf mit viel Herz und Sinn.